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Wirksamkeit von Coaching

Wirksamkeit von Coaching

In diesem White Paper haben wir zwei Studien von führenden Business Schools (Harvard und Ashridge) ausgewertet, die die Wirksamkeit von Coaching kritisch unter die Lupe genommen haben. Diese Studien waren unter anderem Grundlage für unser Qualitätsverständnis und liefern einige praktische Tipps für Personen, die an einem Coaching interessiert sind oder für Manager mit Personalverantwortung

Warum ist das Thema Wirksamkeit von Coaching relevant?

Coaching ist bei üblichen Stundensätzen von 200 bis 2.000 Euro wesentlich teurer als ein Training oder andere Maßnahmen zur Personalentwicklung. Das führt zu der kritischen Frage, ob und unter welchen Bedingungen diese Mehrausgaben gerechtfertigt sind. Eine Antwort liefern Erkenntnisse aus der Harvard und Ashridge Business School. Sie geben Anlass zum kritischen Nachdenken über die Wirksamkeit von Coaching. Worauf sollte man achten?

Fünf praktische Tipps für ein wirksames und effektives Coaching

Tipp 1: Seien Sie skeptisch bei scheinbar wissenschaftlichen „Tools“

  • Viele Coaching-Anbieter werben mit „neuen“ und/oder „wissenschaftlichen“ Methoden, Theorien oder „Tools“, die sie im Coaching einsetzen. Diese reichen von der „Neurolinguistischen Programmierung“ über “Wingwave“ bis hin zur (kybernetischen) Systemtheorie und Quantenphysik.
  • Die Studie von Erik de Haan und Co-Autoren von der Ashridge Business School analysiert 156 Coachings und kommt zu dem Ergebnis, dass die angewandte Methode oder das verwendete „Tool“ praktisch keine Auswirkung auf den Coaching-Erfolg haben.
  • Am wirksamsten ist die Beziehung zwischen Coach und seinem Klienten (Coachee). Wenn es dem Coach gelingt, das Vertrauen seines Klienten zu gewinnen und der Coachee starkes Engagement zeigt, weil er zum Beispiel einen großen „Problemdruck“ verspürt, ist der Erfolg (positive Beurteilung) so gut wie sicher. 
  • Die Folge (bei hohem Aufwand): Der Coach tritt nett, freundlich und sympathisch auf, verwendet aber gar keine, oder nicht validierte, triviale oder esoterische Methoden und Binsenweisheiten. Dafür wurde der Begriff Management-Esoterik geprägt. Ein solches Coaching hat bestenfalls eine Wirkung wie ein Placebo.

Tipp 2: Achten Sie auf das zweite Erfolgsgeheimnis („Learning by Doing“) 

  • Aus der Perspektive dessen, was man über die Verbesserung von Fähigkeiten (Lernen) weiß, können Coaching, Training und andere Methoden die gleiche Wirksamkeit erzielen. 
  • Nach einer Faustregel verdanken wir rund 70 Prozent des Lernerfolges dem Praktizieren und Ausprobieren; 20 Prozent lernen wir von Vorbildern - und nur 10 Prozent des Lernerfolges verdanken wir dem Lesen, Zuhören oder Diskutieren. Folglich sind herausfordernde Aufgaben auf Schlüsselpositionen die wirksamste Lernmethode in der Führungskräfteentwicklung.
  • An zweiter Stelle kommen Kontakte zu geeigneten internen oder externen Vorbildern oder Projekte mit Teilnehmern aus verschiedenen Bereichen und Funktionen des Unternehmens. Eine Erfahrungsregel besagt, dass es rund drei Jahre dauert, bis man eine neue Kompetenz erwerben und messbare Resultate (Erfolge) nachweisen kann.
  • Ein externes Coaching erfüllt in der Regel keine dieser Voraussetzungen für die Wirksamkeit. Manche Kompetenzen und Verhaltensänderungen sind leicht, andere (Persönlichkeitsmerkmale und Werte) nur sehr schwer und einige gar nicht veränderbar oder erlernbar (bei gegebenem Aufwand). 
  • Pauschale Aussagen über die „Wirksamkeit von Coaching“ sind grundsätzlich unglaubwürdig, wenn der Coach nicht sagen kann, welche "Diagnose" und welche "Therapie" er für welches konkrete Problem oder Kompetenz ("Indikation") einsetzten wird. 
  • Beispiel: Wenn der Coach nur zwei Karrieremöglichkeiten kennt, wie will er seinem Klienten helfen, eine von acht empirisch nachgewiesenen Möglichkeiten zu finden, die am besten zu ihm passt? (Siehe dazu den Test der Karrieremöglichkeiten). 

Tipp 3: „Messen“ Sie Ergebnisse und nicht nur die Zufriedenheit des Coachees 

  • Wie man den Erfolg von Coaching messen kannEs gibt zahlreiche Publikationen, die behaupten, Coaching sei wirksam oder „erfolgreich“. Als Erfolgskriterium wird meistens die „Zufriedenheit“ des Klienten (Coachees) verwendet. Die Aussagekraft derartiger „Studien“ hat das gleiche Niveau wie die Befragung von ALDI-Kunden über die Zufriedenheit mit ihrem Einkauf, sobald sie die Filiale verlassen haben. 
  • Um die Wirksamkeit eines Coachings nachweisen zu können, müsste man zum Beispiel zwei Gruppen bilden, die eine coachen und die andere trainieren. Man könnte auch die Veränderung einzelner Kompetenzen vor und nach einem Coaching messen. Dazu gibt es zahlreiche bewährte Instrumente wie zum Beispiel ein 360-Grad-Feedback, Verhaltensinterviews (Behavioral Event Interview) oder (validierte) Tests
  • Wenn sich dann Unterschiede im Lernerfolg (vor und nach dem Coaching oder zwischen der Interventions- und der Kontrollgruppe) zeigen, könnte man auf die Wirksamkeit bei der Verbesserung einer bestimmten Kompetenz schließen. Auch in diesem Falle muss die Studie nach Interventionsmethode, Kompetenz und Schwierigkeitsgrad differenzieren, weil praktisch jede Kompetenz andere Methoden erfordert.
  • Die Wirksamkeit von Coaching bei Kompetenzen nachzuweisen, die man auch durch die Bearbeitung einer Fallstudie oder in einem Training erwerben kann, ist mehr als fragwürdig. 
  • Ein Coach oder sein Verband müssten nachweisen, dass ein Coaching die wirksamste Methode für die Entwicklung einer bestimmten Kompetenz ist. Pauschal von "Wirksamkeit" zu sprechen erscheint  wenig seriös. 
  • Darüber kann das "Erfolgs-Kriterium" Zielerreichung des Coachings nicht hinwegtäuschen.  

Tipp 4: Der Coach muss die Gütekriterien seiner Methoden belegen können

  • Die Befragung von 140 Coaches und acht Experten durch Diane Coutu und Carol Kauffman von der Harvard Business School und der Harvard Medical School stellt ebenfalls fest, dass es nicht auf eine bestimmte Methode ankommt. 
  • Vielmehr müsse der Coach überzeugend begründen, welche Diagnose- und Lernmethoden (bzw. Interventionen) er einsetzt, ob sie zielführend sind, und welche Ergebnisse (Lernerfolge) dabei zu erwarten sind. Wenn er das nicht kann, sollte man ihm sofort die Tür zeigen
  • Das erfordert auf Seiten der Unternehmen die Einbindung von Linienmanagern und qualifizierte Personen in der Führungskräfteentwicklung. Sie müssen mindestens die Qualität (zum Beispiel Validität und Reliabilität) der verwendeten (diagnostischen) Methoden und Interventionen kritisch beurteilen können. 
  • Eine Verbesserung von Kompetenzen ist nur möglich, wenn man zuvor die Stärken, Schwächen und Potenziale der Kandidaten valide eingeschätzt hat. Folglich sind Aussagen über die Wirksamkeit von Coaching ohne Eignungsdiagnostik reine Spekulation. 
  • In Deutschland hat sich die DIN-Norm 33430 als nützlicher Indikator für die der Qualität der Eignungsdiagnostik erwiesen. Diese Kriterien gelten auch für ein Coaching. 
  • Die Qualitätskriterien sind ist so wichtig, weil Fehlentscheidungen im Personalbereich meist äußerst gravierende Konsequenzen haben - sowohl für das Unternehmen als auch für die Kandidaten. 

Tipp 5: Vermeiden Sie "Qualitäts-Garantien" aus einer „Selbst-Zertifizierung“ 

  • Eine Qualitätssicherung nach formalen Kriterien wie zum Beispiel einer psychologischen Weiterbildung oder einer Zertifizierung des Coaches sehen die befragten Experten kritisch. Besonders problematisch ist die übliche Praxis der Selbst-Zertifizierungen durch unzählige Verbände, weil es sich um Interessenvertreter der Coaching-Anbieter handelt.
  • Das ist genauso als würde der Verband der Automobilindustrie die Umweltfreundlichkeit willkürlich ausgewählter Automobilhersteller „zertifizieren“. Wichtig wäre dagegen eine Akkreditierung durch unabhängige Stellen, wie sie im Hochschulbereich in den Vereinigten Staaten und inzwischen auch in Europa üblich ist. 

Fazit zur Wirksamkeit von Coaching

Auf die Resultate kommt es an

Die Wirksamkeit von Coaching erkennt man nicht am zeitlichen und methodischen „Aufwand“, sondern am (messbaren) Ergebnis. Dabei ist der subjektive Eindruck des Coachees (Klienten) ein völlig ungeeigneter Indikator für die Wirksamkeit. 

Wie man Ergebnisse messen kann

Beispielsweise kann ein 180- oder 360-Grad-Feedback eine Verbesserung oder Veränderung des Verhaltens in der Praxis nachweisen. Das gilt auch für ein so genanntes Verhaltensinterview (Behavioural Event Interview), das von einer neutralen Person anhand eines validierten Fragebogens durchgeführt werden sollte. 

Letztendlich muss man Kennzahlen (KPIs) anwenden, die für den Verantwortungsbereich des Coachees gelten.  

→ Auf diese Weise kann man die Forderung nach messbaren Ergebnissen erfüllen. 

Entscheidend ist - wie in der seriösen Medizin und Therapie üblich - eine Diagnose der Stärken, Schwächen und Potenziale der Kandidaten mit validierten Methoden. Als Mindestanforderung kann man die Kriterien der DIN-Norm 33430 anwenden. 

Esoterik und Binsenweisheiten vermeiden

Dieser Herausforderung muss sich die Coaching-Industrie stellen, will sie dem (berechtigten) Verdacht der Esoterik oder Scharlatanerie entgehen. Siehe dazu als Beispiel das White Paper zum Systemischen Coaching unter dem folgenden Link: "Systemisches Coaching - eine kritische Analyse" oder die Kritik am Reiss-Profile.

Info-Grafik: Wie man die Wirksamkeit von Coaching einfach messen kann

Die nachfolgende Grafik gibt einen zusammenfassenden Überblick, wie man die Wirksamkeit von Coaching mit einfachen Mitteln messen (nachweisen) kann. 

Anhand dieses Beispiels sei nochmals betont, dass ein Coach nicht viel bewirken kann (außer vielleicht einem Placebo-Effekt), wenn er die Resilienz (Stärken und Schwächen) und die Stress-Ursachen seines Klienten nicht valide diagnostizieren kann. 

Wirksamkeit von Coaching messen

Info-Grafik: Wie man die Wirksamkeit von Coaching messen (nachweisen) kann
(c) Prof. Dr. Waldemar Pelz

Die Grafik soll auch verdeutlichen, dass man die Wirksamkeit nur für bestimmte Methoden und spezifische Indikationen nachweisen kann. Pauschale Aussagen, die das Coaching generell als wirksam bezeichnen gehören in den Bereich der Esoterik. Das gilt auch für das Erfolgs-Kriterium "Zielerreichung des Coachings" (ohne die "Ausgangslage" zu kennen ist jedes Ziel rein willkürlich und tautologisch). 

Autor: Prof. Dr. Waldemar Pelz (THM Business School/Institut für Management-Innovation)

Literatur

  • Ashkenas, R.: Harvard Business Review. Leader's Handbook. HBR Handbook Series 2019
  • Bartlett, J.: Advances in coaching practices: A humanistic approach to couch and client roles. Journal of Business Research 2007
  • Boyatzis, R. et al.: Helping People Change: Coaching with Compassion for Lifelong Learning and Growth. Boston 2019
  • Coutu, d. et al.: What Can Coaches Do for You? In: Harvard Business Review. Januar 2009
  • Dierbach, H.: Die Seelenpfuscher. Pseudo-Therapien, die krank machen. Hambung 2009
  • de Haan, E. et al: Executive Coaching Outcome Research. In: Consulting Psychology Journal 2012 
  • Harvard Business School Press: What Coaching Is All About: Its Place in Management. Boston 2004
  • HBR Guide to Coaching Employees. Boston 2015
  • Pelz, W.: Systemisches Coaching - eine kritische Analyse. White Paper der THM Business School. Gießen 2015
  • Schuler, H.: Lehrbuch der Personalpsychologie. Göttingen 2013
  • Kanning, U. P.: Wenn Manager auf Bäume klettern... Lengerich 2013
  • Lau, V.: Schwarzbuch Personalentwicklung. Stuttgart 2013
  • Roth, G., Ryba, Al: Coaching, Beratung und Gehirn. Klett-Cotta 2016
  • Whitmore, J.: Coaching for Performance: The Principles and Practice of Coaching and Leadership“ London et al: 2017
  • Wilson, C.: Best Practice in Performance Coaching: A Handbook for Leaders, Coaches, HR Professionals and Organizations. London 2007