Berühmte Unternehmer wie Elon Musk (Tesla, SpaceX), Satya Nadella (Microsoft) oder James Allworth (Harvard Business School) haben kürzlich die Bedeutung der Empathie ins Bewusstsein der breiten Öffentlichkeit gerückt. Dies waren Kernaussagen:
Aus unserer empirischen Forschung zu diesem Thema wissen wir jedoch, dass es wenig Sinn macht, Modebegriffe unreflektiert in das Portfolio von Seminar- und Beratungsleistungen zu übernehmen. Diese Problematik zeigt sich im Fall eines erfahrenen und sehr erfolgreichen Vertriebsingenieurs, der sich zum General Manager weiterentwickeln wollte. Ein validierter Test seiner empathischen Fähigkeiten ergab folgendes Bild:
Abbildung: Testergebnis im Empathie-Test
Er leitet ein kleines Team von drei Personen, das ihn bei der Vorbereitung und Abwicklung maßgeschneiderter Lösungen für technische Probleme seiner Industriekunden unterstützt. Seinen Erfolg verdankt er vor allem seiner stark ausgeprägten kognitiven Empathie. Hier ist er wesentlich besser als Kollegen mit ähnlichen Aufgaben (siehe Abbildung). Er kann sich sehr gut in die Situation der Kunden hineinversetzen und deren Probleme antizipieren. Das gilt sowohl für rein sachliche Probleme als auch für Sorgen, Ängste und verdeckte Motive seiner Kunden. Er erwarb deren Vertrauen, weil er stets zur Stelle war, wenn seine profunden Fachkenntnisse gebraucht wurden. Außerdem konnte er gut zuhören und so seinen Gesprächspartnern Wertschätzung vermitteln.
Als er zum General Manager befördert wurde, kam es nach einigen Monaten zu zahlreichen Konflikten und Problemen, die sich in einer deutlich sinkenden Leistung (Betriebsergebnis) seines Verantwortungsbereichs (Business Unit) bemerkbar machten. Wie kam es dazu?
Sein Unternehmen ist als „dreidimensionale Matrix“ (Tensor) organisiert. Dabei überschneiden sich regionale (Länder), funktionale (Produktion, Vertrieb) und divisionale (Produktgruppen) Verantwortlichkeiten und Interessen. Dementsprechend ist das Konfliktpotenzial, das zugleich mit interkulturellen Aspekten durchsetzt ist, extrem hoch. Es ist ein soziotechnisches System mit maximaler Komplexität.
Um in einem solchen System erfolgreich agieren zu können, ist soziale Empathie als Schlüsselkompetenz notwendig. Es ist die Fähigkeit oder das Gespür zu erkennen, nach welchen oft unausgesprochenen Normen und „Spielregeln“ eine Organisation oder ein Team funktioniert. Das Verhalten einer Gruppe von Menschen folgt völlig anderen Gesetzmäßigkeiten als das Verhalten einzelner Menschen.
Daniel Goleman, der den Begriff Emotionale Intelligenz geprägt hat, bemerkte dazu: „Teams are cauldrons of bubbling emotions“. Es muss gelingen, dieses Chaos zu durchschauen und in eine Richtung zu lenken. Das Ergebnis ist Teamgeist.
Die Praxis hat verschiedene Bezeichnungen für das Phänomen der sozialen Empathie gefunden. Beispiele sind:
Die Testergebnisse dieses Vertriebsingenieurs zeigen (siehe Abbildung), dass er erhebliche Defizite bei der sozialen Empathie hat. Folglich ist es ihm nicht gelungen, ein Netzwerk vertrauensvoller Beziehungen zu Schlüsselpersonen in diesem komplexen soziotechnischen System aufzubauen. Das funktioniert nicht einfach so, dass man zu wichtigen Personen Kontakt aufnimmt, mit ihnen plaudert und Ihnen sagt: „Lassen Sie uns eine gute Beziehung haben“.
An dieser Stelle dürfte klar werden, dass es zwei völlig verschiedene Dinge sind: zum einen das Vertrauen einzelner Kunden zu gewinnen und zum anderen ein System von Macht, Einfluss und divergierender Interessen zu beherrschen.
Ein weiteres Problem kam hinzu: Das Vertrauen einzelner Kunden zu gewinnen hat nicht viel mit der Fähigkeit zu tun, das Vertrauen von Menschen zu gewinnen, mit denen man täglich und intensiv zusammenarbeitet. Es ist praktisch nicht möglich, eine grundlegend negative Einstellung gegenüber Mitarbeitern zu verbergen. Außerdem kommt es bei Mitarbeitern darauf an, das Vertrauen durch die kontinuierliche Wahrnehmung der Vorbildfunktion zu gewinnen und nicht durch Freundlichkeit oder Beliebtheit.
Der Vertriebsingenieur konnte die Anliegen und Emotionen seiner Mitarbeiter rational gut verstehen und argumentativ damit umgehen. Es fehlte ihm aber das aufrichtige Interesse an seinen Mitarbeitern als Menschen und nicht nur als Arbeitskräften. Er achtete vielmehr auf deren Leistung ohne nachempfinden zu können, wie Emotionen und Leistungen bei verschiedenen Menschen zusammenhängen, zumal jeder anders behandelt werden will. Folglich entstand keine echte Verbindung zwischen ihm und seinen Mitarbeitern. Dies ist ein Indikator für Defizite bei der emotionalen Empathie, wie sie in den Testergebnissen sichtbar wird. Seine besondere Stärke (kognitive Empathie) hat ihn in dieser Situation nicht weitergebracht.
Dieser Fall zeigt eindrucksvoll: Während kognitive Empathie im Vertrieb entscheidend sein kann, sind emotionale und soziale Empathie unerlässlich für erfolgreiche Führungskräfteentwicklung mit funktionsübergreifender oder unternehmerischer Verantwortung. Dieser Fall zeigt auch, wie leicht es zu Fehlbesetzungen wichtiger Stellen kommen kann, wenn keine fundierte (valide) Einschätzung der Stärken und Schwächen durchgeführt wird.
Testen Sie Ihre empathischen Fähigkeiten und erfahren Sie mehr unter: Empathische Fähigkeiten testen und stärken.